Dienstag, 3. Februar 2009

11 - Über Nachtfahrten in Indien

Während unserer Tour "von Madras nach Ahmedabad" legen wir ca. 2000 km auf dem Landweg zurück; das letzte Stück von Bombay bis Ahmedabad werden wir fliegen. 2000 km über Indiens Strassen und Bahngleise muß man erlebt haben bzw. es sich hart erarbeiten. Die Strecke von Madras nach Pondicherry fand am Morgen statt ebenso wie zumindestens der erste Teil der Fahrt von Pondicherry nach Bangalore (am späten Nachmittag).

Beide Abschnitte passen nicht zum Titel, wohl aber der Rest bis Bangalore, von Bangalore bis Goa und von Goa bis Pune, wo ich jetzt sitze und schreibe.

Die Strecke Bangalore - Pune haben wir am letzten Freitagabend um 9.30 pm angetreten; angekommen am Bahnhof in Madgaon sind wir gegen ein Uhr nachmittags. Ich selbst bin diese Strecke schon einmal vor einem Jahr gefahren und war nicht wirklich überrascht, aber die Reaktionen der Studenten waren köstlich: große Augen, ungläubiges Entsetzen, Überlegungen, das Betreten des Zuges zu verweigern usw.. Indische Züge sehen aus wie Vieh- oder Güterwagons mit Fenstern. Es gibt verschiedene Klassen und der Begriff Holzklasse erschliesst sich sofort und im Wortsinne. Laut Typenschildern sind die Wagons z.T. erst drei Jahre alt und stammen nicht etwa aus Kolonialzeiten. M.E. haben Männer beim Toilettengang (kleines Geschäft) abgesehen von den Gerüchen hier eindeutige Vorteile. Andere Geschäfte verschiebt man nach meiner Erfahrung sowieso besser auf das Bad im Hotelzimmer, aber ich schweife ab.

Ich habe zur Beruhigung immer wieder gesagt dass die Fahrt trotzdem klasse wird und insbesondere der Tagesteil durch Dschungel und Berglandschaften traumhaft schön ist.

Ein EDV-Ausdruck mit den Namen der Reisenden und ihren jeweiligen Sitz- der Liegeplätze ist an jedem Wagon angeklebt, d.h. wenn man auch ohne Wagenstandsanzeiger den richtigen Wagon an dem mindestens 500 m langen Zug gefunden hat, kann nichts mehr schiefgehen und im Zweifelsfall verscheucht der Schaffner eh jeden unerwünschten Mitfahrer von einem reservierten Platz.

Es gab dann in unserem 1. Klasse-Großraumwagen ca. 60 Liegeplätze von ca. 70cm x 180 cm in 3 Ebenen. Die sind aufgeteilt in Abschnitte mit je 6 Plätzen (2 dreistöckige Betten) in einem halboffenen Abteil und 2 Plätzen (Doppelstockbett) neben dem Gang in Längsrichtung.

Problematisch ist es nur, wenn man entweder in der obersten Ebene direkt unter der nicht regelbaren und eiskalten Klimaanlage liegt oder am Gang und größer als 1,78 ist oder beides. Ich bin 1,82 , lag am Gang, aber in der unteren Ebene (also ein Teilerfolg). Die empflohlene Schlafstellung ist dann zusammengefaltet wie ein Embryo oder wie in einem Hockgrab.

Alkohol ist im Zug verboten und das war doch ein herber Schlag. Aber dem Ingeniör ist nichts zu schwör und wir stammen ja mit einer Ausnahme alle aus dieser Fakultät. Also haben wir den reichlich eingekauften indischen Rum unauffällig in Cola-Flaschen zugemixt und dann offiziell Cola getrunken. Die Stimmung war dann auch schnell ziemlich lustig, bis wir die Party gegen halb zwölf wegen dem immer skeptischer blickenden Schaffner und mit Rücksicht auf indische Mitreisende einstellen mussten.

Am nächsten Morgen konnte ich dann jedem beweisen, dass die Abfahrt vom Hochland vorbei an den berühmten Jog-Wasserfällen wirklich traumhaft schön ist. Da die Türen offenstehen, kann man auch sehr gut photographieren und dem Raubtierkäfig-Geruch in unserem Wagon entgehen. Verhungern muss man auch auf einer längeren Fahrt wie unserer nicht, denn unzählige fliegende Verkäufer patrollieren ständig durch die Gänge mit Tee, Frühstück, Nüssen und und und.

Tja, irgendwann waren wir dann angekommen und mit Prepaid-Taxi-Kleinbussen noch ca. 20 min. zu unserem Strandhotel gefahren. Goa ist wirklich ein Traum und das Hotel, der Strand und alles andere haben dazu beigetragen. Aber das ist eine andere Geschichte.




In Goa habe ich festgestellt, dass unsere zweite Nachtfahrt per Zug nach Pune problematisch werden würde, denn drei Teilnehmer sind aus mir unersichtlichen Gründen umgebucht worden in eine schlechtere Klasse (also Richtung Holzklasse). Bei unserem sonntäglichen Sightseeing- Abstecher nach Panjim und Old Goa habe ich also Reservierungen in zwei Liegewagen-Bussen nach Pune organisiert und die Bahntickets zurückgegeben. 15 Teilnehmer im AC-Bus und 5 im Non-AC-Bus führten interessanterweise nicht zu Spannungen in der Gruppe und dabei ist mir dann zum wiederholten Male bewußt geworden, wie gut sich alle vertragen.

Die Busse sind abends um 7 pm bzw. 8 pm losgefahren und heute morgen gegen 6 >Uhr angekommen, was mir als sehr zivil erschien. Jeder hat also seine Spirituosen- und Lebensmittelvorräte aufgefüllt und es konnte losgehen. In den Bussen ist Alkohol übrigens kein Problem. Die Busse haben in zwei Ebenen auf einer Gangseite Einzelbetten und auf der anderen Gangseite Doppelbetten. Da haben sich unsere neu gefundenen Päärchen aber gefreut.

Auch hier kamen beim Betreten der Busse die gleichen Bedenken wie vor dem Betreten des Nachtzuges, denn anders als auf den Photographien bei der Busagentur wirkte das Ganze äußerst rustikal. Man könnte auch sagen: Kennwort Schweine-Express. Jetzt hatten - weil in Längsrichtung - alle Mitfahrer 180 cm lange Liegen und die Klimaanlage liess sich ebenfalls nicht herunterregeln.

Ich habe die Austrittsöffnungen über meinem Bett mit Plastiktüten zugestopft und die Sache mit dem Hockgrab kannte ich schon aus dem Zug. Ich habe mich dann allerdings nach dem Sinn einer Reservierung im AC-Bus (= klimatisierter Bus) gefragt.

Zum Trost kam unsere Party im hinteren Bereich des Busses noch schneller auf Touren und wurde immer lustiger und lauter. Durch die schon in anderen Beiträgen beschriebenen Strassenverhältnisse habe ich mich des öfteren gefragt, ob wir a) bei unserer Achterbahnfahrt noch einen Looping erleben dürfen und b) wie man dabei schlafen kann. Tja, wie man so schön sagt: "schlimmer geht`s immer".

Im Endeffekt kamen wir pünktlich, gerädert, aber lebendig um 6 Uhr am Morgen in Pune an und sind dann noch mit Autorikschas durch die Morgendämmerung in den Sonnenaufgang zu unserem Hotel geritten. Dort konnten wir schon direkt unsere Zimmer beziehen und bekamen nach einer dringendst erforderlichen Dusche ein tolles Frühstück und schon war die gute Laune wieder da.



Ich muß mir überlegen, ob für unsere Weiterfahrt nach Bombay noch Steigerungen möglich sind. Vielleicht auf einer LKW-Ladefläche?

Tja, and if I don`t see you:
good afternoon, good evening and good night.

Horst-G. Lippold

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